Der Schiffskapitän und die beste Weiterbildung, die ich je besucht habe.
Aktualisiert: 27. Dez. 2020
Neue Dinge zu entdecken und zu lernen ist wunderbar. Vor allem dann, wenn man es aus einem inneren Antrieb und mit Begeisterung macht. Ich spreche hier von Lernen und Erleben, nicht vom Auswendiglernen und davon, Wissen zu übernehmen und Dinge zu tun, weil man vorgesagt bekommt, dass man es eben so macht.
Lernen durch Erleben, selber Entdecken und Begeisterung, sind aber eher selten.
Warum? Dazu habe ich ein paar Gedanken. Vorweg aber eine kleine Geschichte.
Vor vielen Jahren, während Ferien in Griechenland, machten wir einen Ausflug mit einem Segelschiff. Unser Kapitän war ein etwa 30-jähriger Grieche. Seine Ausbildung, aus meiner Sicht eine der besten, die man haben kann. Alles was er wusste und konnte, hatte er über die Jahre von seinem Grossvater und Vater gelernt und selber erlebt.
Er hatte Freude am Meer, vielleicht liebte er es sogar. Es war etwas, das er gerne tat – ja vielleicht (s)eine Berufung.

Nun, die gute Nachricht zuerst.
In der Schweiz haben wir ein wunderbares Bildungssystem. Es ermöglicht uns, unseren beruflichen Wünschen und Träumen auf vielen Wegen zu folgen.
Aber.
In unserer Arbeitswelt zählt weniger die Erfahrung und das wahre Wissen und Können. Es geht vielmehr um Papiere, die wir in Ausbildungen holen. Ausbildungen, die wir uns zuerst müssen leisten können oder auf die Unterstützung unseres Arbeitgebers angewiesen sind.
Was meine ich mit wahrem Wissen und Können?
Hier komme ich noch einmal zum Kapitän. Er hatte Freude am Meer, vielleicht liebte er es sogar. Es war etwas, das er gerne tat – ja vielleicht eine Berufung. Was er gelernt hatte, lernte er durch Erleben, Erfahrung und Begeisterung. Das Lernumfeld waren keine geschlossenen Räume, in denen man stillsitzen und zuhören musste – es war eben ein Ort zum Erleben.

«Ein guter Schulabschluss ist kein Indikator für Intelligenz, sondern von guter Anpassungsfähigkeit.» Gerald Hüther
Papier regiert
Firmen wollen gut ausgebildete Mitarbeitende. Das ist nicht falsch – sicher nicht. Ich habe mit vielen gut ausgebildeten Menschen zusammengearbeitet und ich war mit vielen verschiedenen Menschen in Aus- und Weiterbildungen. Eine abgeschlossene Ausbildung ist keine Garantie für Kompetenz. Es heisst in erster Linie einfach, dass man sich mit den Dingen, die es eben zu lernen galt, auseinandergesetzt hat, auswendig lernen und sich in dieses System einfügen kann. Nicht nur – aber auch!
Die beste Weiterbildung, die ich je besucht habe ...
... dauerte 10 Tage, aufgeteilt in drei Blockveranstaltungen. Während dieser zehn Tage erhielten wir nicht ein einziges Handout, keine Unterlagen, keine Dokumente, keine vorgefertigten Präsentationen. Wir lernten durch das selber Erarbeiten, wir erlebten und probierten aus, wir machten Fehler, analysierten, orientierten uns neu, … Nie habe ich so viel gelernt wie damals. Noch heute kann ich auf viele dieser Inhalte zurückgreifen, obwohl es bereits einige Jahre her ist. Nach den zehn Tagen gab es ein Handout – eines mit der Essenz von dem, was wir zusammen Erarbeitet, gelernt und erlebt haben. Eines, zu dem wir einen echten Bezug hatten. Nicht nur schwarze Farbe auf weissem Papier.